Von Marko Schlichting 11.08.2022, 03:16

Maskenpflicht, Impfung und Isolation – geht die Corona-Kontroverse im dritten Pandemie-Winter weiter? Was macht das mit den am stärksten betroffenen Krankenhäusern? In „Tough but Fair“ diskutiert unter anderem Gesundheitsminister Lauterbach, wie Kliniken wieder gesund werden können. Den Krankenhäusern könnte ein weiterer strenger Winter bevorstehen. Das befürchtet Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Der Grund: eine neue Corona-Variante, die Experten zufolge im Winter in Deutschland eintreffen könnte. Sie ist laut Lauterbach ansteckender als alle anderen Varianten, aber weniger tödlich. Deshalb unterstützt er die Einhaltung der Maskenpflicht in Innenräumen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach befürwortet Maskenpflicht in Innenräumen. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek sieht das anders. In der ARD-Sendung „Hart aber fair“ erklärt er, dass diese Regelung Ländersache sei. Vereinbart wurde, dass die Entscheidung „situativ angepasst“ werde. Das gilt sowohl für die Maskenpflicht in Restaurants als auch für die Durchführung von Weihnachtsmärkten im Dezember. Diese Regelung hat sich bereits bei der Ausrichtung des Münchner Oktoberfestes bewährt. Zur Einschätzung der Corona-Lage gibt es unter Experten derzeit sehr unterschiedliche Meinungen. Die einen befürchten einen deutlichen Preisanstieg bei Public-Viewing-Veranstaltungen während der am 20. November beginnenden Fußballweltmeisterschaft, andere glauben, dass das Ende der Corona-Pandemie nun erreicht ist. Sie sprechen von einer Epidemie. Darunter der Virologe Christian Drosten oder der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission, Thomas Mertens. Doch Krankenpflegerin und Gewerkschaftsfunktionärin Lisa Schlagheck befürchtet im Winter eine Überlastung der Krankenhäuser – allerdings aus einem anderen Grund. „Die Annahme, dass wir wegen der Corona-Welle überlastet sind, ist falsch. Meiner Meinung nach sind wir wegen der Einsparungen im Gesundheitssystem und wegen des Personalmangels überlastet. Die Corona ist dann das i-Tüpfelchen, das uns belastet.“ runter“, sagt er.

Unsichere Situation an den Notrufstationen

Tatsächlich ist die Überlastung des Pflegepersonals in vielen Notaufnahmen ein Problem, das gefährlich sein kann. „Einen Krankenhausaufenthalt würde ich nach Möglichkeit vermeiden“, resümiert Pflegerin Schlagheck am Ende der Sendung. Sie arbeitet als Notfallkrankenschwester am Universitätsklinikum Münster. Es gibt viele andere Krankenhäuser in der Umgebung, aber sie müssen die Notaufnahmen schließen, wenn sie überlastet sind. Schlagheck berichtet, dass dies fast täglich vorkomme. Patienten kommen dann zu ihr und ihren Kollegen. Immer wieder müssten Patienten auf Gängen liegen, um auf ihre Behandlung zu warten, schildert er die Situation. Nach der Erstbehandlung in Münster müssen sie oft in andere Krankenhäuser verlegt werden, weil es in der Klinik keine freien Betten für sie gibt. Es kann vorkommen, dass Patienten zur weiteren Behandlung in Kliniken verlegt werden müssen, die mehr als hundert Kilometer entfernt sind. Bis vor kurzem musste sie als einzige Krankenschwester Nachtschichten leisten – in einer Notaufnahme über zwei Stockwerke.

“Wir werden es jetzt mit Reformen in den Griff bekommen”

Zumindest in Nordrhein-Westfalen könnte sich die Situation in den Notaufnahmen bald ändern. Krankenschwestern streikten deswegen – 77 Tage lang. Auf nationaler Ebene könnte es etwas länger dauern, aber auch hier kämpft Minister Lauterbach für Veränderungen. Das sei auch dringend nötig, sagt sein bayerischer Kollege Holetschek: „Wir brauchen eine Revolution im Gesundheitswesen.“ Dies soll bis zum Ende dieser Legislaturperiode erfolgen. Lauterbach will am Mittwoch einen Teil eines Gesetzentwurfs in den Gesundheitsausschuss einbringen, der unter anderem darauf abzielt, die Fallpauschale abzuschaffen. Sie wurden vor 20 Jahren eingeführt. Fallpauschalen regeln, wie teuer eine Krankenhausversorgung sein darf. Lauterbachs Ziel: Wenn es auf den Stationen zu wenig Pflegekräfte für bestimmte Pflegeleistungen gibt, können bestimmte Krankheiten nicht mehr behandelt werden. „Wir führen viele Eingriffe auf dem Rücken des Pflegepersonals durch, die extern durchgeführt werden können oder gar nicht nötig sind“, erklärt Lauterbach. Beispielsweise ist es nicht erforderlich, dass Patienten wegen eines Kniereflexes ins Krankenhaus eingeliefert werden. Das neue Gesetz hat bereits einen Namen: Krankenhauspflegeentlastungsgesetz. “Das ist eine dramatische Kosteneinsparung für Krankenhäuser”, sagt Lauterbach. Der Minister ist zuversichtlich, dass das Gesetz sofort hilft. Einmal eingerichtet, würde es die Pflegekräfte entlasten, es gäbe letztlich mehr Auszubildende für die Pflegeberufe und Pflegekräfte würden länger im Beruf bleiben.

„Einsatzkräfte kapieren es nicht“

Für Pfleger Schlagheck hat das neue Gesetz einen entscheidenden Schönheitsfehler. „Das gilt nur für Betten und stationäre Bereiche“, klagt er. Davon ausgenommen sind Fahrdienste, Reinigungskräfte, aber auch Notfallstationen und gilt auch nicht für Hebammen. „Das ist nicht hinnehmbar“, sagt Schlagheck, der auch beklagt, dass es keine Strafen für Krankenhäuser gibt, die ihr Personal nicht entlasten. Lauterbach setzt an dieser Stelle zunächst auf Zuversicht und verspricht Nachbesserungsbedarf am Gesetzeswerk. Auch Holetschek kritisiert das Gesetz. Alles dauert lange. „Wir steuern auf eine humanitäre Katastrophe zu, auch in der Langzeit- und Altenpflege, im Mittelpunkt steht die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte“, behauptet er. Schlagheck bezweifelt aber auch, dass das Gesetz es ihnen leichter macht – auch wenn Lauterbach ankündigt, dass Ende November erstmals über die Abschaffung von Flatrates gesprochen werden könnte. Für Schlagheck ist klar: Sie kann sich nicht mehr vorstellen, ihr ganzes Berufsleben als Krankenschwester zu arbeiten. „Ich möchte nicht warten, bis ich in den Ruhestand gehe, um Verbesserungen vorzunehmen“, sagt er. Lisa Schlagheck ist dieses Jahr dreißig geworden.