Von Axel Witte 08.11.2022, 13:48 Uhr

Umstritten ist die Einführung des Bürgergeldes. Während die Bundesregierung die Grundsicherung für Arbeitssuchende zu einer modernen Form der Unterstützung ausbauen will, befürchten Gewerkschaftsvertreter vor allem so etwas wie einen “späten römischen Niedergang”. Mit einer Karotte vor sich und dem Abgrund im Rücken: Willkommen im deutschen Mittelstands-Lifestyle. Hierzulande kann man zwar mit Fleiß und einer guten Bildung einen gewissen Wohlstand erreichen, aber für die meisten Menschen reicht es trotz aller Bemühungen nicht aus, wirklichen Reichtum anzuhäufen. Wer dagegen Pech hat oder im Leben die falsche Richtung einschlägt, dem droht Hartz IV. Doch damit muss jetzt Schluss sein, denn zum 1. Januar 2023 soll die Grundsicherung, also das bisherige Arbeitslosengeld II (Hartz IV), durch das Bürgergeld ersetzt werden. Es ist auch eine Form der sozialen, staatlichen Unterstützung, die an Bedingungen geknüpft ist und nicht mit dem bedingungslosen Grundeinkommen verwechselt werden sollte. Eine Einführung dafür sieht der Koalitionsvertrag ausdrücklich nicht vor. Außerdem ist das Einkommen der Bürger noch kein Gesetz. Bis dahin wird im Bundestag noch darüber debattiert. So beklagt CDU-Chef Merz, dass sich die Arbeit wegen höherer Regelsätze nicht mehr lohne. Es gelten weiterhin die aktuellen Hartz-IV-Regelungen. Fragen und Antworten zu den wichtigsten Fragen:

Wer hat Anspruch auf Bürgergeld?

Das Bürgergeld ist eine Grundsicherungsleistung für Arbeitsuchende, es sichert die Sicherung des Lebensunterhalts (Mindestsicherung). Wer bisher Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld hatte, hat künftig Anspruch auf Bürgergeld. Hierfür müssen keine neuen Anträge gestellt werden. Das Bürgergeld ist auch eine Option für Menschen, deren Erwerbseinkommen nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Das Bürgereinkommen wird in der Regel für einen Zeitraum von 6 Monaten bis zu einem Jahr gewährt. Anschließend muss ein Folgeantrag gestellt werden, wie von „buerger-geld.org“ angegeben.

Ist Bürgergeld nicht nur eine Umbenennung von Hartz IV?

Das Bürgereinkommen soll den Menschen die Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen und die Würde des Einzelnen achten, so der Wunsch des Bundesarbeitsministeriums. Das ist wohl der größte Unterschied zu den bisherigen Hartz-IV-Leistungen. Es soll auch der nachhaltigen Arbeitsmarktintegration dienen und auf Wunsch digital leicht zugänglich sein. Laut Bundesarbeitsministerium soll eine größere „Gruppenhaftigkeit“ geschaffen werden. Jobcenter müssen künftig großzügiger mit den Lebensumständen von Leistungsempfängern umgehen. Das erleichtert ihnen, schnellstmöglich wieder Arbeit zu finden oder gibt ihnen die Möglichkeit, sich stärker auf Qualifizierung, Weiterbildung und Stellensuche zu konzentrieren. Menschen, denen es besonders schwer fällt, eine Arbeit zu finden oder aufzunehmen, können durch die Berufsberatung unterstützt werden.

Wie hoch soll die Grundversicherung sein?

Der Regeleinkommenssatz für Bürger soll bei 502 Euro für Alleinstehende liegen. Das entspricht einer Steigerung um 53 Euro pro Monat gegenüber dem bisherigen Regelsatz für Hartz IV von 449 Euro. Zudem sollen Verdiener zwischen 520 und 1000 Euro künftig mehr von ihrem Einkommen behalten können. Die Zulagen in diesem Bereich sollen von 20 auf 30 Prozent steigen.

Die Regeln sind auf einen Blick festgelegt

für verheiratete oder nicht zusammenlebende Partner 451 Euro (plus 47 Euro in Bezug auf Hartz IV) für Kinder von 14 bis 17 Jahren 420 Euro (zzgl. 44 Euro) für Kinder von 6 bis 13 Jahren 348 Euro (zzgl. 37 Euro) für Kinder bis 5 Jahre 318 Euro (zzgl. 33 Euro)

Sollen Rechte an Vermögenswerten bestehen?

Ja, wer künftig auf das Einkommen der Bürger angewiesen ist, soll seine Ersparnisse die ersten zwei Jahre behalten können. Vermögen darf nur mit 60.000 Euro oder zusätzlich 30.000 Euro für alle anderen in einer Bedarfsgemeinschaft berührt werden. Bei einer vierköpfigen Familie wären beispielsweise Ersparnisse von 150.000 Euro geschützt. Nach 24 Monaten Grundeinkommen soll das Vermögen überprüfbar sein. Die langfristige Ersparnis steigt auf 15.000 Euro. Außerdem wird nicht mehr geprüft, ob das eigene Auto geeignet ist. Auch das selbstgenutzte Wohneigentum ist unabhängig von seiner Fläche zunächst vom Vermögensausgleich ausgenommen. Für Wohnungen gelten derzeit Grenzen von ca. 80 – 90 m² für 1-2 Personen, 100 – 110 m² für bis zu 3 Personen, 120 – 130 m² für 4 Personen und 20 m² für jede weitere Person. Vermögenswerte umfassen alles, was Sie besitzen, was in Geld gemessen werden kann, zum Beispiel:

Kasse, Spareinlagen, Sparbriefe, Wertpapiere, Gegenstände (wie Fahrzeuge oder Schmuck); Kapitallebensversicherung, Häuser und Immobilien, Eigentumswohnungen.

Für die bisherigen Grundsicherungsleistungen gilt ein Grundfreibetrag von 150 Euro pro Lebensjahr. Dieser ist nicht vorgesehen und steht jedem erwachsenen Hartz IV-Empfänger und seinem Partner in der Bedarfsgemeinschaft zur Verfügung. Allerdings ist dieser Vermögensfreibetrag betragsmäßig begrenzt, wobei die Grenze nach dem Geburtsjahr des ALG II-Empfängers gestaffelt ist, so das Portal hartziv.org. Vor dem 1. Januar 1948 Geborene erhalten einen erhöhten Freibetrag von 520 Euro pro Lebensjahr.

Was muss sich im Leben ändern?

Damit sich die Leistungsberechtigten möglichst auf die Stellensuche konzentrieren können und gleichzeitig wissen, dass ihr Lebensunterhalt gesichert ist, gibt es in den ersten zwei Jahren des Leistungsbezugs Wartezeiten für Mietwohnungen. Diese Regelung gilt seit Beginn der Pandemie. Beim Grundeinkommen müssen die tatsächlichen Wohn- und Heizkosten in den ersten zwei Bezugsjahren gedeckt werden und werden in ihrer Höhe nicht berücksichtigt, was auch für das Wohneigentum gelten soll. Eine Mietwohnung für Hartz IV-Empfänger darf bis zu 50 m² groß sein, für 2 Personen bis zu 60 m², für 3 Personen bis zu 75 m² und für 4 Personen bis zu 85 m².

Was ist mit Sanktionen?

Kommen Grundsicherungsempfänger ihren Mitwirkungspflichten nicht nach, können solche Versäumnisse wiederum mit Leistungskürzungen geahndet werden. Das Prinzip des Förderns und Forderns soll weiterhin gelten. Beim Bürgergeld werden Leistungsminderungen nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zurückgesetzt oder gemildert. Zunächst soll es eine sechsmonatige Treuhandfrist geben, in der Pflichtverletzungen keine rechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen. Erst wenn nach Ablauf der sechsmonatigen Vertrauensfrist die Vereinbarungen über Mitwirkungspflichten (Eigenleistungen, Mitwirkung an Maßnahmen und Anträge auf Vermittlungsvorschläge) nicht eingehalten werden, werden diese Pflichten durch Aufforderungen mit Rechtsfolgenbelehrung rechtskräftig. Laut Bundesarbeitsministerium sollen nach Ablauf der Vertrauensfrist folgende Regelungen gemäß der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Neuregelung zur Leistungsminderung in Kraft treten:

Leistungskürzungen wegen wiederholter Pflichtverletzungen und unterlassener Anzeige betragen maximal 30 Prozent des jeweiligen monatlichen Regelschadens. Übernachtungs- und Heizkosten werden nicht gekürzt. Die Kürzung wegen Pflichtverletzung ist für den ersten Verstoß außerhalb der Treuhandfrist auf 20 (statt bisher 30) Prozent begrenzt. Eine Leistungsminderung tritt nicht ein, wenn dies im Einzelfall zu außergewöhnlichen Schwierigkeiten führen würde. Leistungsminderungen entfallen, wenn Begünstigte ihren Mitwirkungspflichten nachkommen oder nachträglich zuverlässig erklären, dass sie ihren Pflichten nachkommen werden. Die bisherigen verschärften Sonderregelungen für unter 25-Jährige entfallen. Wenn Leistungen für unter 25-Jährige künftig gekürzt werden, sollten die Jobcenter Beratung und Unterstützung anbieten. Ausgenommen sind Leistungsminderungen bei Pflichtverletzungen während der sechsmonatigen Treuhandfrist. Während der Vertrauensfrist erfolgt eine Kürzung wegen Anmeldeunfähigkeit erst beim zweiten Verstoß. Dem Begünstigten wird Gelegenheit gegeben, die Umstände seines Einzelfalls persönlich darzulegen. Verletzen sie wiederholt ihre Pflichten oder versäumen sie Anmeldefristen, sollte das Jobcenter sie informieren. Der Neuregelung liegt der vom Bundesverfassungsgericht bestätigte Leitgedanke zugrunde, dass der Gesetzgeber die Mitwirkungspflicht achten und mit verhältnismäßigen Mitteln durchsetzen kann.