Stand: 08.11.2022 17:04 Uhr                 

Ein Berliner LKA-Beamter und ein Rechtsextremist organisieren sich in einem Verein, dessen Mitglieder sich als Kosaken verstehen und enge Verbindungen zu Russland haben. Von Andrea Becker und Georg Heil, rbb

Das Landeskriminalamt Berlin überstellte einen Beamten des Staatsschutzes und leitete ein Disziplinarverfahren gegen ihn ein. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Untersuchung des Politmagazins ARD Kontraste, der Wochenzeitung „Die Zeit“ und des russischsprachigen Online-Mediums „Meduza“.

Dem Beamten Michael B. wird vorgeworfen, Privatreisen nach Russland und Weißrussland seinem Arbeitgeber jahrelang nicht wie vorgeschrieben gemeldet zu haben. Zudem scheint seine Versetzung mit seinen Kontakten zur extremen Rechten zusammenzuhängen. Mitarbeiter, die in hochsensiblen Bereichen arbeiten, sind gesetzlich verpflichtet, Reisen in Länder wie Syrien, Russland oder Weißrussland zu melden. Auf Anfrage der Gegenüberen „Zeit“ und „Meduza“ sagte B., er wolle sich dazu nicht äußern und: „Ich melde immer alles.“ Mit der Versetzung des Beamten erlosch auch die erweiterte Sicherheitsüberprüfung, die ihm den Zugang zu „geheimen“ Dokumenten ermöglichte.

Nach Informationen von Kontraste, „Zeit“ und „Meduza“ wurde das Berliner LKA vom Berliner Landesamt für Verfassungsschutz über den Vorgang informiert. Er schickte dem LKA auch ein Foto, das den Beamten B. mit Jörg S. zeigt, einem behördenbekannten Mann, der als rechtsextrem gilt. Mindestens zweimal, 2017 und 2020, reisten Jörg S. und Officer B. mit anderen nach Weißrussland. Die Fotos belegen es. Eine weitere Reise führte nach Russland.

Vorbereitungen für “X” Tag

Jörg S. war den Sicherheitsbehörden als Teil des 2017 bekannt gewordenen rechtsextremen Netzwerks „Nordkreuz“ aufgefallen. Ihm hatten sich rund 50 Personen angeschlossen, darunter Polizisten sowie aktive und ehemalige Soldaten der Bundeswehr. Sie wollten sich auf einen “X-Day” vorbereiten, an dem die staatliche Ordnung in Deutschland zusammenbrechen würde. Einige der Nordkreuz-Mitglieder hatten illegale Zielübungen betrieben und Lager eingerichtet, in denen auch gestohlene Polizeimunition gelagert wurde. Nordkreuz-Mitglieder sollen auch über politische Morde gesprochen haben. Verfahren wegen Waffendelikten dauern bis heute an. Jörg S. ist jedoch kein Tatverdächtiger. Inzwischen hat S. aber keinen Waffenschein mehr, mit dem er legal Waffen besitzen darf.

Er ist in einem prorussischen Kosakenverband aktiv

Die Reisen von Jörg S. und Michael B. stehen im Zusammenhang mit einem Verein, dessen Präsident und Mitbegründer der Polizist Michael B. war. Die „Union für die Völkerfreundschaft“ setzt sich unter anderem für Bürgerrechte in Ecuador oder die von Julian Assange ein Freiheit. Sie sind jedoch besonders Russland zugetan. In einem von B. unterzeichneten Mitgliederbrief aus dem Jahr 2017 heißt es zu den Kämpfen in der Ostukraine: „Hier wird einem russisch geprägten Volk das Recht auf Souveränität und Selbstbestimmung entzogen, es ist und bleibt Völkermord an der russischstämmigen Bevölkerung in der Ostukraine .” Der Verein sammle Spenden, “um hier zu helfen”. In Beiträgen des Vereins scheint sich ein Spendenträger auf den Weg gemacht zu haben.

Die Mitglieder des Clubs nennen sich laut internen Unterlagen „Kosaken“ und „Garde“ und sehen sich offenbar in der Tradition russischer Militärbauer, die gegen das Osmanische Reich gekämpft haben. Nach Informationen von Kontraste, „Zeit“ und „Meduza“ ist die „Union für Völkerfreundschaft“ mit der sogenannten „Big Don’s Army“ verbunden, einer russischen paramilitärischen Gruppe, die 2014 in der Ukraine gekämpft hat. Deutsche Sicherheitsbehörden erhalten Informationen die Verbindungen des Vereins zu russischen Paramilitärs sehr ernst nehmen, auch im Hinblick auf mögliche Verbindungen zu russischen Geheimdiensten.

Der Verein ist militärisch organisiert

In einem inzwischen gelöschten Beitrag auf der Vereinswebsite heißt es, der Verein arbeite an einem “Notfallplan”, etwa zur Kommunikation im Notfall. Anfang 2020 gründeten Mitglieder von Friends of the Nations einen Schützenverein. Die Strukturen der Liga der Freunde der Völker werden in der Militärsprache als „Stäbe“ bezeichnet. Der Deutsche Michael B. wird von weißrussischen Kosaken mit dem Militärkosakenrang “Ataman” gemeldet.

Officer Michael B. ist in den sozialen Medien sehr aktiv. Dort teilte er fremden- und islamfeindliche Inhalte sowie Beiträge von Pegida, Russlands „Sputnik News“ und der AfD. In einer Facebook-Gruppe namens „Putinisten“ wetterte er gegen das „falsche demokratische Parlament“ der EU: Der Polizist B leitete eine Karate-Mannschaft im Sportverein des Deutschen Bundestages.

Treffen im russisch-orthodoxen Kloster

Mitglieder des Vereins trafen sich wiederholt in einem russisch-orthodoxen Kloster im brandenburgischen Götschendorf, unter anderem im Oktober 2020. Dort nahmen sie an einer Gedenkveranstaltung für Alexander Schmorell teil. Er war ein deutsch-russischer Widerstandskämpfer gegen Nazideutschland, der in der „Weißen Rose“ aktiv war und in der russisch-orthodoxen Kirche als Heiliger verehrt wird. Bilder von der Veranstaltung zeigen, dass auch Jörg S. anwesend war.

2021 nahm auch der AfD-Politiker Gunnar Lindemann, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, an einer Sitzung in Götschendorf teil. Lindemann, der mehrere öffentliche Reisen auf die 2014 von Russland annektierte Krim unternahm, wurde von der “Union für Völkerfreundschaft” mit der “Medaille der Freundschaft 2. Klasse” ausgezeichnet.

Auf Anfrage von ZEIT, „Kontraste“ und „Meduza“ sagte Michael B., er könne zur Beteiligung von Jörg S. am Nordkreuz-Netzwerk nichts sagen, da er Nordkreuz überhaupt nicht kenne. B. äußert sich nicht dazu, wie er Jörg S. kennengelernt hat. Nach Ermittlungen ist die Facebook-Seite des Vereins verschwunden.

Vorbei bei der Stasi und der Volkspolizei

Gegenüber „Zeit“ und „Meduza“ teilte Jörg S. mit, dass die Kosaken für ihn „christlich-orthodoxe Soldaten“ seien, die Liga für Völkerfreundschaft eine Wohltätigkeitsorganisation und auch der Kampfsport ein verbindendes Element sei. Auffallend ist, dass sich im Verein etliche ehemalige DDR-Bürger mit polizeilichem oder militärischem Hintergrund versammeln. Als junger Mann diente Jörg S. im Stasi-Wachbataillon „Feliks Dzierzynski“, während der Polizist Michael B. seine Karriere 1984 bei der DDR-Volkspolizei begann.

Jörg S. erklärt…